Die Liebe zum Eigenen
Wie die völkische Gruppierung der „Identitären“ versucht, alten Ideen ein neues Gewand überzuziehen und doch den modrigen Geruch nicht loswird | SPOTLIGHT, Text: Clara Drexler
Am 14. September 2014 findet sich eine Gruppe Vermummter vor dem Stephansdom ein. In Burkas und Tarnuniformen gehüllt, setzen sie zwei knienden jungen Menschen in Jeans Messer an den Hals. Wenig später liegen diese – scheinbar leblos – am Boden.
Mit Aktionen wie dieser will die Identitäre Bewegung (IB) gegen die angebliche Islamisierung Europas protestieren. Ein Kernanliegen der laut Eigendefinition „friedlichen, patriotischen Jugendbewegung“ ist der Erhalt der „ethnokulturellen Identität unseres Volkes“. Ihre große Angst ist der „Bevölkerungsaustausch durch fremde Einwanderer“, die für sie „kulturell und religiös und ethnisch völlig fremde Menschen“ sind. Zu den wesentlichen Forderungen der IB Österreich gehört daher eine Volksabstimmung (bzw. Volksbefragung, darüber ist man sich noch uneins) über einen Zuwanderungsstopp.
Zum Aktions-Repertoire der netzaffinen Bewegung gehören bisher hauptsächlich Störaktionen gesinnungsfremder Veranstaltungen. Im Februar 2013 drangen Mitglieder der Gruppierung in die Votivkirche ein und kündigten vollmundig an, so lange bleiben zu wollen, bis auch die dort im Hungerstreik befindlichen Flüchtlinge wieder verschwunden sind. Doch die jungen „identitären“ Männer hielten es in der kalten Kirche schlussendlich nur wenige Stunden aus.
Ausgangspunkt der einsamen Retter des Abendlandes ist der 2003 in Frankreich gegründete bloc identitaire, ein Zusammenschluss der Unité radicale – die aufgrund ihres virulenten Antisemitismus 2002 verboten wurde – und den rechtsextremen Jeunesses Identitaires. In den Folgejahren entstanden in Europa weitere identitäre Gruppierungen, in Frankreich die Génération Identitaire, im deutschsprachigen Raum allen voran die Wiener Identitäre Richtung W.I.R. mit Alexander Markovics und Martin Sellner, heute Vorsitzende der IB Österreich bzw. IB Wien. Das gemeinsame Logo: der griechische Buchstabe Lambda, in Gelb-Schwarz gehalten. Aufgrund ihrer historischen Bezüge werden die Identitären meist der Neuen Rechten zugeordnet, die von ExpertInnen teils als Erneuerungsbewegung, teils jedoch als reine Tarnung verstanden wird. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) stuft sie als rechtsextrem ein. Aufgrund ihrer militanten Grundhaltung und europaweiten Vernetzung zur einschlägigen Szene seien sie weiters dem Neofaschismus zuzuordnen. Da hierzulande das rechtsextreme Potenzial durch die FPÖ aber weitgehend abgedeckt sei, so Andreas Peham vom DÖW, müsse man sich vor den Identitären nicht fürchten – es sei denn, vor der Motivation zu Gewalttaten.
Nazis, Rassisten und Krawallmacher seien sie bestimmt keine und „genau gar nicht extremistisch“, so Markovics, Vorsitzender der IB Österreich. „100% Identität“ und „0% Rassismus“ heften sie sich auf ihre Fahnen, was angesichts der unzähligen Verbindungen zur deutschnationalen, rechtsextremen und neonazistischen Szene skurril anmutet. Markovics, der Markowitz ausgesprochen werden möchte, ist Mitglied der als rechtsextrem eingestuften Burschenschaft Olympia, die auch mal den Holocaust-Leugner Irving als Redner einlud. Sellner ist Betreiber des Versandhandels „Phalanx-Europa“, der schicke T-Shirts mit Aufschriften wie „Schmiss happens“ und „Lampedusa Coastguard“ vertreibt. Für Sellner „ist ein Österreicher ein Österreicher, und ein Türke bleibt auch ein Türke, auch wenn man ihm einen österreichischen Pass hinterher schmeißt.“ Auch zur antimuslimischen PEGIDA besteht ein ideologisches und personelles Naheverhältnis. Georg Immanuel Nagel beispielsweise schwang letzten Frühling – bevor er zum PEGIDA-Wien-Sprecher auserkoren wurde – mit den Identitären die Fahnen.
Und doch werden die „bio-deutschen“ Burschen nicht müde, darauf zu pochen, weder links noch rechts zu sein, es gehe ihnen einzig um die „Liebe zum Eigenen“. Eine ähnliche Rhetorik kennt man von der FPÖ, zu der es zahlreiche Querverbindungen gibt.
Tipp: Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa. Bruns, Glösel, Strobl. Unrast, 2014.
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