Steuermythen
DOSSIER. Die Initiative „Wege aus der Krise“ überprüft Argumente gegen eine Vermögenssteuer.
Lebensqualität sichern! Allein fünf Prozent der Bevölkerung besitzen in Österreich knapp die Hälfte des gesamten Vermögens*. Ihre Vermögen betragen damit das Dreifache der Staatsschulden – zirka 660 Milliarden Euro. Trotzdem wird bei der breiten Bevölkerung gekürzt. Was spricht tatsächlich gegen eine Vermögenssteuer? Wir sind einigen Steuermythen nachgegangen.
* Quelle: OENB
10 Prozent der BestverdienerInnen zahlen doch schon 60 Prozent des Steueraufkommens...
Das stimmt nicht einmal für die Einkommensteuer ganz und ist außerdem eine Folge davon, dass die Einkommen im unteren Bereich viel zu niedrig sind und diese Gruppe daher keine Einkommensteuer zahlt. Aber vor allem kann man nicht nur eine Steuer herausgreifen: Betrachtet man die gesamten Abgaben (einschließlich Sozialversicherung, Massensteuern wie die Mehrwertsteuer usw.), ergibt sich, dass die zehn Prozent der am geringsten Verdienenden mit rund 37,3 Prozent ihres Einkommens proportional annähernd so viele Steuern und Abgaben leisten wie die zehn Prozent Reichsten mit 40 Prozent ihres Einkommens*. Und zwar deshalb, weil Verbrauchersteuern niedrige und mittlere Einkommen, die zu zwei Dritteln in den Konsum fließen, überproportional treffen.
* Quelle: WIFO
Mit der Vermögenssteuer wird bereits versteuertes Einkommen nochmals besteuert...
In allen Industrieländern werden Steuern auf unterschiedliche Quellen eingehoben. So wird Arbeitseinkommen durch Lohn- und Einkommensteuer besteuert, Kapitaleinkommen mit der Kapitalertragsteuer erfasst. Des Weiteren gibt es diverse Verbrauchersteuern (z. B. Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer, Tabaksteuer usw.). Wir alle müssen also mehrfach Steuern tragen. Vermögensbestände werden aber von keiner Steuer erfasst!
Die Vermögenssteuer trifft auch den „Häuselbauer“ und die „Oma“ mit dem Sparbuch für die Enkerln, also die klassische Mittelschicht...
Ganz klar – nein! Die derzeit diskutierten Freibeträge bewegen sich zwischen einer Million (SPÖ) und 500.000 Euro (Wege aus der Krise). Das heißt, dieser Betrag ist für jeden Haushalt steuerfrei. Nur 11 Prozent aller Haushalte in Österreich besitzen laut neuesten Daten der ÖNB (2012) mehr als 500.000 Euro*. Während also gut 90 Prozent der Bevölkerung gar nicht von Vermögenssteuern betroffen sind, zahlen auch die wenigen Betroffenen ganz unterschiedlich: Auf ein Gesamtvermögen von 700.000 Euro wären bei einem Prozent Vermögenssteuer im Jahr lediglich 2.000 Euro zu zahlen (WadK-Modell). „Das Kraut fett“ machen also diejenigen, die über exorbitant hohe Vermögen verfügen. Insgesamt würde das Steueraufkommen trotzdem bei zirka 3 Milliarden Euro liegen.
* Quelle: Arbeiterkammer 2012
Es gibt doch zu wenig Reiche, damit so eine Steuer Sinn macht...
Es kommt nicht auf die Anzahl der Reichen an, sondern auf die Summe an Vermögen, die besteuert wird! Da in Österreich die Vermögen besonders ungleich verteilt sind, also wenige Reiche extrem viel besitzen, genügt es, diese zu besteuern. Außerdem sind Einnahmen durch eine Vermögenssteuer vom vorgeschriebenen Steuersatz abhängig. Eine prozentuelle Staffelung wie bei der Einkommensteuer kann so gestaltet werden, dass Superreiche einen entsprechenden Beitrag leisten.
Das Vermögen flüchtet dann ins Ausland...
Der Großteil der Vermögenswerte (Immobilien, Grundstücke) ist unbeweglich, kann also nicht flüchten; auch Stiftungsvermögen können nur zu einem extrem hohen Preis ins Ausland übersiedelt werden. Da von allen Industrieländern nur in Tschechien vergleichbar niedrige Vermögenssteuern wie in Österreich existieren, sind die „Fluchtmöglichkeiten“ für Vermögen relativ eingeschränkt. Die verbleibenden harten Steueroasen (Liechtenstein, Schweiz, Monaco und Österreich) könnten relativ problemlos geschlossen werden, indem über den freien Kapitalverkehr der EU mit Drittländern Auskunftspflicht über DevisenausländerInnen bzw. Kooperationspflicht in Steuerfragen verhängt wird. Bei Nichteinhaltung könnte der freie Kapitalverkehr und damit der „Fluchtweg“ versperrt werden.
Vermögenssteuern sind schlecht für das Wirtschaftswachstum...
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass eine geringere steuerliche Belastung der Arbeitseinkommen und eine höhere Besteuerung von Vermögen die wirtschaftliche Entwicklung beleben. Das bestätigen Analysen des Europäischen Statistikamtes, ein Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds wie auch wissenschaftliche Untersuchungen von renommierten internationalen ÖkonomInnen. Vermögen werden im Unterschied zu Arbeitseinkommen kaum in die Realwirtschaft investiert, sondern in Finanz- und Immobilienspekulationen. Eine hohe Besteuerung von Arbeitseinkommen, die zu zwei Dritteln in den Konsum fließen, stranguliert aber die Kaufkraft und damit auch die Wirtschaft. Vermögenssteuern schonen hingegen das Wachstum.
Vermögenssteuern bestrafen Leistung...
Reichtum zu besitzen ist keine Leistung! Ihn zu erarbeiten schon. Dies geschieht aber durch die Arbeit all jener, die durch ihre tatsächliche Arbeitsleistung die Zins- und Dividendeneinkommen auf das Vermögen der wenigen Reichen erwirtschaften und so deren Reichtum weiter vermehren. Während Vermögen und Vermögenseinkommen kaum besteuert werden, ist der Beitrag des Faktors Arbeit in keinem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union höher als in Österreich. In kaum einem anderen Mitgliedsstaat ist im Gegenzug der Beitrag von leistungslosem Einkommen so niedrig wie in Österreich (Platz 24 von 27)*.
* Quelle: OECD
Österreich ist schon ein Hochsteuerland, noch mehr Steuern schaden der Wettbewerbsfähigkeit...
Eine hohe Abgabenquote allein sagt nichts darüber aus, wie die Steuerlast verteilt ist. Zurzeit leisten ArbeitnehmerInnen rund zwei Drittel des Gesamtsteueraufkommens, vermögensbezogene Steuern bringen hingegen nur 1,4 Prozent*. Gerechtigkeit entsteht also nicht durch eine Senkung der Abgabenquote insgesamt, sondern durch eine gerechtere Verteilung der Abgabenlast. Mit den Erträgen aus Vermögenssteuern können Steuern auf Arbeit gesenkt werden, was nicht nur die heimische Kaufkraft stärkt und uns im Wettbewerb unabhängiger und stärker macht, sondern auch zu einer insgesamt gerechteren Steuerstruktur führt.
* Quelle: Arbeiterkammer
Die Vermögensteuer ist eine „Schnüffelsteuer“ mit hohen Verwaltungskosten...
Wie bei der Einkommensteuererklärung müssen die Betroffenen selbst die Höhe ihres Vermögens feststellen und die Steuererklärung machen. Geprüft wird nur bei Verdacht auf Betrug. Auch dann wird nicht im privaten Umfeld der Steuerpflichtigen „geschnüffelt“, da Hausrat von der Steuer ausgenommen und der Wert des Grundstücks/Hauses sich aus dem Durchschnitt der Preise in einer bestimmten Zone ergibt. Privates Sparvermögen wird von den Banken ausschließlich an das zuständige Finanzamt gemeldet. Auch Arbeitslose und BeihilfenbezieherInnen müssen ihre Vermögensverhältnisse gegenüber den Behörden offenlegen. Es ist daher nur gerecht, auch die Vermögen Steuerpflichtiger an das zuständige Finanzamt zu melden. Der Verwaltungsaufwand beträgt bei einer Selbstbemessungsabgabe wie der Vermögenssteuer lediglich 1,8 Prozent des Aufkommens.*
* Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
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