Eine neue Willkommenskultur
ÖSTERREICHISCHER INTEGRATIONSFONDS. Seit einem Jahr gibt es die neuen Welcome Desks. Die ÖVP sieht in 25.500 Beratungsgesprächen eine Erfolgsstory. Die Opposition und ein ehemaliger ÖIF-Mitarbeiter sehen das anders.
Text: Sónia Melo
25 .500 Beratungen, fünf Standorte, Willkommenshandbücher in acht Sprachen und mobile Beratungsstellen in über 200 Gemeinden. Mit diesen Zahlen beschreibt der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) das erste Arbeitsjahr der Welcome Desks. Und das alles ohne ein dafür vorgesehenes zusätzliches Budget. Grund genug für Ex Vizekanzler Michael Spindelegger, die neue Integrationseinrichtung im vergangenen Juli zur „Erfolgsstory“ zu erklären. Die Opposition sieht das ein bisschen kritischer. Die Grünen-Abgeordnete Alev Korun spricht von einer gelungenen PR-Aktion. Ein ehemaliger ÖIF-Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden möchte, sieht es ähnlich.
Vor über einem Jahr eröffnete der ÖIF den ersten Welcome Desk in Wien. Es folgten weitere in den Landeshauptstädten Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck. Für diesen Herbst ist die nächste Einrichtung in Klagenfurt geplant. Die Welcome Desks sind als Erstberatungsstellen für MigrantInnen gedacht, ihr Ziel: Den Zuwanderern soll ihr „Wilkommen sein“ in Österreich vermittelt werden. Darüber hinaus wird an den Willkommenstischen beraten sowie über Rechte und Pflichten informiert. Und weil seit längerer Zeit Integration das zentrale Zauberwort bei Fragen der Einwanderung ist, will man bereits in den Herkunftsländern mit der Beratung beginnen. Derzeit läuft ein Pilotprojekt in der Türkei, wo in der österreichischen Botschaft die Beratungstermine für Österreich vergeben werden. Also, „Integration von Anfang an“.
Alles nur PR?
Die Opposition übt indes Kritik. Alles andere als erfolgreich sieht Alev Korun die Bilanz der Welcome Desks nach einem Jahr. „Das ist doch alles nur PR“, ist die Integrationssprecherin der Grünen überzeugt. Korun begrüßt zwar, dass die Bundesregierung eine Willkommenskultur anstrebt – spät, aber doch, wie sie anfügt. Und zwar ganze 50 Jahre nach dem Anwerbeabkommen zwischen Österreich und der Türkei für die damaligen „GastarbeiterInnen“. Die neue Willkommenskultur hält Korun „nicht für glaubwürdig, vielmehr eine Floskel“. Was vor einem Jahr als Wahlkampf-Gag begonnen habe, sei ein Jahr später nicht zu einer substanziellen Einrichtung gereift. Korun hat einen Bekannten zum Wiener Welcome Desk geschickt, um das Service zu testen. Diesem sei aber bloß eine Lehrmappe mitgegeben worden, beraten wurde er nicht. „Es braucht aber viel mehr als einen Schalter, wo einem fünf, sechs Broschüren in die Hand gedrückt werden“, bekräftigt die grüne Integrationssprecherin.
Zudem kritisiert Korun, dass für die Welcome Desks vom Integrationsfonds kein zusätzliches Budget eingeplant wurde. Denn „eine solche zusätzliche Struktur braucht auch die nötigen finanziellen Ressourcen“. Franziska Troger, Leiterin des Kommunikationsteams des ÖIF, sieht das naturgemäß anders. Ein besseres Angebot würde nicht unbedingt mehr Kosten verursachen, glaubt sie. Troger erklärt, das Angebot des ÖIF sei insgesamt gleich geblieben, durch Umstrukturierungen und Optimierungen, etwa durch Handbücher in mehreren Sprachen, habe man ein besseres Ergebnis erzielt. Nach einem kurzem Beratungsgespräch folgt, je nach Bedürfnis der KlientInnen, ein zweites, längeres Gespräch, versichert Troger. Auch die Willkommensbroschüren des ÖIF seien höchst hilfreich, sie geben den Zuwanderern wichtige Auskünfte über rechtliche und kulturelle Aspekte Österreichs und dienen zur Vermittlung der österreichischen Werte. Auch Praktisches sei darin zu finden: Wie MigrantInnen ihre Kinder in Kindergärten anmelden können oder auch die Tatsache, dass Frauen und Männer in Österreich gleichgestellt sind, hat man für die Einwanderer zusammengefasst. Für Korun eine Schönfärberei: „Dass in diesem Land Frauen immer noch um ein Drittel weniger verdienen als Männer“, das sei im Handbuch der ÖIF-Welcome-Box nicht zu lesen, „aber im realen Leben zu spüren“.
Ressourcenmangel
Im ÖIF sieht man die Welcome Desks als Teil eines Programms, das ein landesweites Netzwerk schaffen will, um auch MigrantInnen, die fernab von den Landeshauptstädten wohnen, entgegenzukommen. So bietet der ÖIF mobile Beratungen in Kooperation mit den Gemeinden an, auch MitarbeiterInnen von Behörden werden in Workshops ausgebildet. Ziel sei es, so Troger, „ für den Integrationsprozess eine Struktur zu schaffen“.
KritikerInnen halten dem entgegen, dass man die Workshops gemeinsam mit den MigrantInnen selbst wesentlich effektiver und spannender gestalten und von deren Erfahrungen lernen könnte. Erst auf diese Weise würden die Welcome Desks mit Leben erfüllt. Ob Koruns Testperson, der man eine Broschüre in die Hand gedrückt hat, zur stattlichen Anzahl von 25.550 Beratungsgesprächen dazugezählt wurde, ist nicht bekannt. Für Korun ist aber klar, dass die eigentliche Beratungsarbeit nach wie vor die NGOs leisten. Diese Organisationen seien es auch, bei denen die Willkommenskultur geblieben ist.
Umfassende Beratung nicht möglich
Ein ehemaliger Mitarbeiter des ÖIF, der namentlich nicht genannt werden möchte, hat den Start der Welcome Desks miterlebt. Er versteht die Kritik, wenn er meint, dass die Welcome Desks am Bedarf der MigrantInnen völlig vorbei gingen. In der Realität sei es etwa so, dass die KlientInnen eher um Deutschkurse anfragen und weniger um Broschüren mit den Werten Österreichs. Deutschkurse werden vom ÖIF aber nur für Asylberechtigte gefördert. Und für Broschüren müsse man die Leute nicht extra in Beratungsstellen schicken.
Eine umfassende Beratung sei außerdem gar nicht möglich gewesen, berichtet der ehemalige Mitarbeiter, da „weder das Personal noch die Personalstunden aufgestockt wurden und auch die Räumlichkeiten nicht erweitert wurden“. Eigentlich hätten sich die MitarbeiterInnen des ÖIF schon mit ihren täglichen Aufgaben der ÖIF-Beratung am Limit bewegt. Längere Beratungen am Welcome Desk seien dadurch schlicht nicht möglich gewesen, so der Nachsatz.
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