Martin Schenk über die Kunst, Menschen zu schlechteren Leistungen zu bringen.
Wir sind Helden
Text: Martin Schenk
Wer damit rechnet, als unterlegen zu gelten, bringt schlechtere Leistungen. „Sterotype threat“ wird dieser Effekt genannt.
Wir müssen nur wollen. Mit Leistung geht alles! So tönt es. Wir sind Helden der Integration! Kleiner Reality Check: Es ist nicht die Leistung, die zählt, es sind auch nicht die Kompetenzen, die honoriert werden. Denn: Noten werden nach Herkunft vergeben. SchülerInnen aus Haushalten mit geringer Bildung erhalten bei gleicher Leistung die schlechteren Noten. Bei gleicher Lesekompetenz fassen sie die deutlich schlechteren Noten aus. Und umgekehrt bekommen SchülerInnen aus universitärem Elternhaus bei gleichen Kompetenzen die besseren Beurteilungen. Beim Übertritt von der Volksschule ins Gymnasium spielt sich dasselbe ab. Bei gleicher Lesekompetenz wechseln 67 Prozent der SchülerInnen mit Akademiker-Eltern in die AHS, 40 Prozent mit Matura-Eltern, aber nur 22 Prozent der SchülerInnen aus Haushalten mit Pflichtschulabschluss. Da eine große Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund aus Elternhäusern kommt, die geringe Bildungsabschlüsse haben, trifft sie das besonders. Hier geht es um Bildungs- und Statushintergrund. Das Schulsystem funktioniert in Österreich offensichtlich nach Herkunfts-, nicht nach Leistungskriterien. Wir müssen nur. Das ist das Land der begrenzten Unmöglichkeiten.
Status-Angst
In diesem Zusammenhang gibt es ein weiteres Phänomen, das der Status-Angst, das die Leistung selbst senkt. Die Ökonominnen Karla Hoff und Priyanka Pandey veröffentlichten im Auftrag der Weltbank die Ergebnisse eines ungewöhnlichen Feldversuches. Sie legten Kindern, die sowohl aus einer höheren wie aus einer niederen indischen Kaste kamen, Aufgaben vor. In einem ersten Durchgang schnitten die Kinder aus den niederen Kasten etwas besser ab als die aus den höheren. Niemand wusste, wer welcher Kaste angehört. Dann wiederholte man das Experiment. Zuerst mussten sich die Kinder mit Namen, Dorf und Kastenzugehörigkeit vorstellen, dann durften sie die Aufgaben lösen. Das Ergebnis: Die Leistungen der Kinder aus den unteren Kasten waren deutlich schlechter. Gleiches ergab sich in den USA bei Sprachtests zwischen Schwarzen und Weißen. Müssen nur. Wir können Pferde ohne Beine rückwärts reiten.
Wenn man eine Gruppe verletzlich macht hinsichtlich negativer Vorurteile, die im gesellschaftlichen Kontext vorherrschen, dann bleibt das nicht ohne Wirkung. Wer damit rechnet, als unterlegen zu gelten, bringt schlechtere Leistungen. «Sterotype threat» wird dieser Effekt genannt, Bedrohung durch Beschämung. Status-Angst und die Folgen negativer Bewertung sind Lern- und Leistungshemmer. Umgedreht heißt das, dass die besten Lernvoraussetzungen in einem anerkennenden Umfeld zu finden sind. Dort wo wir an unseren Erfolg glauben dürfen. Wo wir wollen dürfen und wollen können.