Integration als Herzensangelegenheit
Von der Flüchtlingsbetreuerin zur Flüchtlingslobbyistin. Andrea Eraslan-Weninger, Geschäftsführerin des Integrationshauses kämpft für die Belange von Asylwerbern. Text: Clara Akinyosoye
Es begann mit einer Stellenausschreibung. Eine Führungspersönlichkeit wurde gesucht, die die Idee eines Integrationshauses in die Praxis umsetzen sollte. Über 70 KandidatInnen fühlten sich berufen – die Wahl fiel auf Andrea Eraslan-Weninger. Das war 1994. Auch heute noch führt die ausgebildete Sozialarbeiterin und studierte Organisationsentwicklerin die Geschäfte des Integrationshauses. Mit Freude, wie sie sagt, denn der Job macht Spaß, weil sie „sinnvolle Arbeit“ leisten kann. Das Integrationshaus beherbergt, betreut und berät Flüchtlinge, Traumatisierte, psychisch und physisch Kranke, Alleinerziehende, Schwangere und andere Menschen, die Schutz und Hilfe brauchen. Die gebürtige Niederösterreicherin ist in ihrer Funktion als Geschäftsführerin größtenteils mit dem Personalmanagement, der Organisation und Weiterentwicklung von Projekten, dem Aufbringen von Geldern und natürlich politischer Lobbyarbeit beschäftigt.
Die Kontakte zu den Flüchtlingen im Integrationshaus sind alltäglicher Natur. „Man trifft sich im Lift oder auf der Treppe“, sagt Eraslan-Weninger. Oder bei einer der vielen gemeinsamen Veranstaltungen, die organisiert werden. Aber die aktive Betreuung gehört nicht zu ihrem Aufgabenbereich. Das war nicht immer so. Nach der Ausbildung zur Sozialarbeiterin arbeitete Eraslan-Weninger drei Jahre lang als Flüchtlingsberaterin im Rahmen des Sozialamts. „In dieser Zeit habe ich begonnen mich in diesem Bereich politisch zu engagieren“, erzählt sie. 1983 war sie eine der MitbegründerInnen des Vereins zur Betreuung von Ausländern und Ausländerinnen (später: „Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen“), der ersten mehrsprachigen arbeitsmarktpolitischen Beratungseinrichtung. Acht Jahre lang blieb sie dort. Neben der Beratung zählten auch das Verfassen von Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen und die Entwicklung von Vorschlägen für arbeitsmarktpolitische Bildungsmaßnahmen zu ihrem Aufgabenfeld. An der Akademie für Sozialarbeit bekam sie 1990 einen Lehrauftrag und unterrichtete über Flucht und Migration.
So viel zu ihren Tätigkeiten vor dem Integrationshaus. Eine Vorstellung von einem möglichen Leben "nach dem Integrationshaus" hat Eraslan-Weninger noch nicht. Es müsste so wie ihre momentane Aufgabe eine „Herzensangelegenheit“ sein, sagt sie. Es sind eben auch emotionale Themen, mit denen sich die Ehefrau und zweifache Mutter beschäftigen muss und will. Besonders frustrierend – Schubhaft und Abschiebung. „Asylwerber dürfen nicht in Schubhaft gesperrt werden. Flucht ist kein Verbrechen“, kritisiert Eraslan-Weninger. Doch es ist nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, der sich wie sie dagegen auflehnt, denn das Image von AsylwerberInnen und Flüchtlingen ist auf einem Tiefpunkt. „Es liegt an der Sündenbockpolitik der FPÖ, in die immer wieder auch gerne andere PolitikerInnen mit einstimmen“, meint Eraslan-Weninger. Was die Menschen bräuchten, seien „aufklärende Informationen.“ Deshalb setzt das Integrationshaus auch auf Informationskampagnen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhang werde auf Migration von politischer und gesellschaftlicher Seite stark mit Abwehr reagiert. Eraslan-Weninger plädiert für einen Paradigmenwechsel, die „Beseitigung struktureller Diskriminierungen und eine menschwürdige Aufnahme-, Asyl- und Integrationspolitik.“ Genau das möchte das Integrationshaus vorantreiben. Ob sich die Geschäftsführerin nicht auch in einem politischen Amt für die Belange von MigrantInnen einzusetzen könnte? Das, so Eraslan-Weninger sei „grundsätzlich vorstellbar.“