Paintballspiele
Drei Jugendliche schießen auf eine asiatische Schnellimbiss-Verkäuferin mit einem Paintball-Gewehr. Einer trägt ein fremdenfeindliches T-Shirt. Die Polizei sieht keinen rassistischen Hintergrund. Alles nur Ansichtsache?
Text: Philipp Sonderegger, Bild: Bernhard Kummer
Drei Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren stürmen die Filiale eines Schnellimbiss im Kärntner St. Veit an der Glan und schießen einer asiatische Thekenkraft mit einem Paintball-Gewehr ins Gesicht. Die Frau wird unter dem Auge verletzt und muss im Krankenhaus behandelt werden. Zuvor hatten die Jugendlichen die Fassade eines Asylheims beschossen. Einer der Burschen trägt ein T-Shirt mit fremdenfeindlicher Aufschrift, berichtet die Kronen Zeitung. Die Täter flüchten, werden aber im Zuge einer örtlichen Fahndung gefasst. Gegen die drei Jugendlichen, die den Schnellimbiss überfallen haben, läuft derzeit ein Verfahren am Klagenfurter Landesgericht. Die ermittelnden PolizeibeamtInnen konnten nach der Einvernahme keinen politischen Hintergrund der Tat feststellen. Ein „unpolitischer“ Fall von mehreren?
Tatsache ist, dass sich Anzeigen von Delikten mit xenophobem oder rechtsextremem Hintergrund in den vergangenen zwei Jahren nahezu verdoppelt haben. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen durch Innenministerin Maria Fekter hervor. Die Statistik wirft zugleich ganz grundsätzliche Fragen auf: Wann wird bei einer Straftat überhaupt von einem politischen Hintergrund ausgegangen? Wer trifft diese Entscheidung? Und aufgrund welcher Kriterien? Welche Konsequenzen schließlich hat diese Einstufung?
Das Strafgesetzbuch in Österreich kennt eine Reihe von politischen Delikten: nationalsozialistische Wiederbetätigung etwa, oder den Tatbestand der Verhetzung. Hier kommt es jedes Jahr zu mehreren dutzend Verurteilungen. Ob eine Tat als rassistisch motiviert eingestuft wird ist, vor Gericht insofern relevant, als sie das Strafausmaß erhöht. Wer also einen anderen Menschen aus „Ausländerhass“ körperlich verletzt, hat nach geltender Rechtslage mit einer schwereren Strafe zu rechnen als jemand, der dasselbe Delikt ohne dieses Motiv begeht.
Alle Hinweise relevant
Warum also konnte bei dem zitierten Fall kein politischer Hintergrund festgestellt werden? Auf Anfrage von MO, wann ein Delikt politisch ist, teilt ein hoher Beamter des Innenministeriums folgendes mit: „Wenn Täter einschlägig bekannt sind, gleichzeitig auch politische Straftaten begangen haben oder andere Indizien dafür sprechen, wird von einem politischen Hintergrund ausgegangen.“ Wie ist das also, wenn bei einer Schlägerei zwischen in- und ausländischen Jugendlichen fremdenfeindliche Parolen gerufen werden? Dann werde dieser Hinweis auf ein fremdenfeindliches Motiv „wohl in aller Regel Eingang in die Anzeige aufgenommen werden“, so der Beamte, der namentlich nicht genannt werden will.
Die Einschätzung, ob eine Straftat einen politischen Hintergrund hat, hängt also auch vom Ermessen der ermittelnden BeamtInnen und von der untersuchenden Staatsanwaltschaft ab. Und zwar davon, wie diese Hinweise auf rassistische und fremdenfeindliche Motive interpretiert und gewichtet werden. Sofern die Polizei Hinweise falsch einschätzt oder als nicht relevant erachtet, können sie auch keinen Eingang in den Strafakt finden. Für das Gericht wird damit eine umfassende Beurteilung unmöglich.
Polizei sieht es anders
Im Jänner 2008 findet am Rosenmontag im Vorarlberger Hard der traditionelle Faschingsumzug statt. Im Anschluss daran kommt es zu einer Schlägerei. Zwei Gruppen, insgesamt hundert Personen, sind darin verwickelt. Die Harder Exekutive erhält Verstärkung von mehreren Streifen des Bezirks, sie nimmt sieben Personen vorübergehend fest. Die „Vorarlberger Nachrichten“ berichten Tags darauf von einer Massenschlägerei zwischen türkischen und eingesessenen Jugendlichen. Zeugen berichten von betrunkenen Jugendlichen, die pöbelnd durch das Ortszentrum von Hard gezogen waren und fremdenfeindliche Parolen gerufen hatten. Der Einsatzleiter beim Vorfall, Dieter Sieber, sieht es – von MO kontaktiert – ganz anders: „ Mit Rassismus hatte das nichts zu tun, da muss ich Sie leider enttäuschen.
“ Sieber, stellvertretender Kommandant der Polizeiinspektion Hard , räumt zwar fremdenfeindliche Rufe wie „Scheiß Türken!“ ein. Das komme bei Amtshandlungen aber immer wieder vor. Er spricht sich dagegen aus, den Vorfall mit Interpretationen zu überfrachten und spielt auf jugendlichen Übermut an: „Für einige Jugendliche war das eine richtige Anerkennung für ihr Verhalten, dass sie in der Zeitung gestanden sind.“ In seinem Abschlussbericht hat Sieber festgehalten, dass eine Gruppe erkennbar ausländische Beteiligung hatte: „Was’ hat, das hat’s, aber mehr muss man nicht daraus machen.“ Einen politischen Hintergrund sieht er nicht. Es habe sich eher eine Dynamik entwickelt, die sich letztlich ausgehend von ein paar Problemjungendlichen vor allem gegen die Polizei selbst gerichtet habe. Also alles nur Ansichtsache? Irgendwie schon, räumt Sieber ein. Letztlich sei alles eben auch eine Frage der Einschätzung.
Europa-Rat: Kritik an Behörden
Anfang März erhielt Österreich hohen Besuch von einer Delegation des Europa-Rates. Alle vier Jahre verfasst die EU-Kommission gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz einen Bericht über die Situation in den Mitgliedsländern. Die Abgeordneten befragen Ministerien, NGOs und andere Einrichtungen, um sich ein Bild über die Lage zu verschaffen. Sie empfehlen geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus. Im zweiten Bericht des Jahres 2000 und im dritten Bericht von 2004 urgierte der Europarat eine bessere Umsetzung der strafrechtlichen Verfolgung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Handlungsbedarf sieht die Kommission insbesondere bezüglich des Paragraphen 33.5 des Strafgesetzbuches. Jenem Passus, der die Wertung fremdenfeindlicher und rassistischer Motive als Erschwernisgrund regelt. Der Europa-Rat wird diesen Punkt wohl auch im kommenden Bericht wieder anführen.