In der Inneren Stadt herumhumpeln
Ursula Stenzel sieht Busse voll mit Bettelbanden in Wien landen. Was organisierte Bettelei ist, erklärte sie Karin Jirku.
Frau Stenzel, Sie treten für eine „urbane Ästhetik“ ein. Stören BettlerInnen Ihr Bild von Ästhetik?
Nein, das hat damit gar nichts zu tun. Dass in Wien aber immer noch gebettelt wird, halte ich für höchst fragwürdig. Das ist ein Versagen der Politik in den Ländern, aus denen die Bettler kommen.
Wie erleben die BewohnerInnen des ersten Bezirks die Bettelei?
Fragen Sie bei den Geschäftsleuten nach. Da sieht man um sechs Uhr früh Busse am Stephansplatz, Menschen werden ausgeladen und mit Krücken versorgt. Da sind welche dabei, die vorher munter gehen und dann plötzlich hinken (lacht).
Woher kommen denn die Busse mit den Menschen?
Das weiß ich noch aus meiner Jugend, das sind Roma und Sinti. Die kommen aus Bulgarien und Rumänien, aus Ländern, die von der EU Strukturhilfe erhalten. Darin sind auch Sozial- und Erziehungsprogramme in einer Höhe von 18,5 Millionen Euro abgedeckt. (Anm.: von 2007 bis 2013, K.J.).
Wohin fließt das ganze Geld?
Da muss ich spekulieren. Scheinbar kommt zu wenig dort an. Jedenfalls ist es nicht mehr gerechtfertigt, dass diese neuen EU-Staaten ihre sozialen Probleme in Form organisierter Bettelei exportieren.
Was verstehen Sie denn unter „organisiert“ betteln?
Die Mafia! Die kommen in Bussen und sind EU-Bürger! Und das ist dann in erster Linie ein Sicherheitsproblem.
Mal konkret, wie reisen die BettlerInnen organisiert über die Grenze?
Ich glaube nicht, dass sie an der Grenze sagen: Wir kommen zum Betteln rüber. Sie reisen wöchentlich als Touristen ein. Manche sind sicherlich hier in Wohnungen in Hernals oder Favoriten menschenunwürdig untergebracht. Da wird berufsmäßig und organisiert gebettelt.
Wie passiert denn das organisierte Betteln explizit in Wien?
Durch Kinder. Ein mir bekannter Rechtsanwalt hat Kinder in Innenstadtcafés am Graben fotografiert, wo sie ihren Kontrolloren das Geld abliefern mussten. Die trinken dort Kaffee. Die Polizei kann wenig machen, Kinder kann man nicht verhaften.
Werden die Roma und Sinti in Wien reich?
Für dortige Verhältnisse sind ein paar Euro viel wert. Der Wohlstand Wiens wirkt wie ein Magnet. Ich sehe aber nicht ein, warum Kinder und Frauen zum Betteln angehalten werden. Das ist ähnlich arg wie Frauen- und Menschenhandel und in der heutigen Zeit der EU Erweiterung nicht mehr legitim!
Was sollen diese Menschen Ihrer Meinung nach tun?
Also eine Frau, die hübsch und jung ist, muss doch nicht vor der Malteserkirche auf der Kärntnerstraße knien und betteln. Oder meinen Sie, das muss sein?
Was raten Sie dieser jungen Frau ohne Job und Ausbildung?
Es gibt so viele Möglichkeiten, auch in den eigenen Ländern. Diese Länder holen stark auf. Es gibt Tourismus, Landwirtschaft und Industrie. Da braucht man doch jede Hand!
Wird diese Frau also einfach von der Mafia rekrutiert, um zu betteln?
Ob sie rekrutiert wird? Ja, und zwar mafiamäßig! Ich sehe es nicht als humane Perspektive an, wenn Menschen, die zuhause ihre Chancen bekommen, in Wien ihre Hand aufhalten und in der Inneren Stadt herumhumpeln.
Was also tun gegen organisierte Bettelei?
Betteln ist kein Programm zur Armutsbekämpfung. Und es gibt ja auch Maßnahmen. Meistens sind es ja auch drogenabhängige Jugendliche, nicht nur ausländische.
Betteln Ausländer eigentlich anders als Inländer?
Inländer betteln aus dem Guten heraus, man täuscht zum Beispiel eine Schwangerschaft vor, erzählt „a‘ G‘schicht“. Das sind oft kultiviert wirkende junge Menschen. Das ist erschütternd.
Und wie betteln Ausländer?
Wir wissen, dass das in erster Linie Roma und Sinti sind. Das sind Bettelbanden.
Geht es wirklich um organisierte Bettelei oder ist das nicht eher Rassismus, dass man Roma und Sinti einfach nicht auf den Straße sehen mag, wo so viele Touristen sind?
Das hat nichts mit Rassismus zu tun. Ich würde es auch ablehnen, wenn es Banden von Engländern wären.
Wie haben Sie die organisierte Bettelei persönlich erlebt?
Zum Beispiel kommt ein Kind auf mich zu, mit einer Rose. Ich denke mir: „Ach, mein Gott!“, und dann sagt dasselbe Kind: einen Euro! Das ist eine Form von organisierter Bettelei. Zwar nett verpackt, aber man darf nicht vergessen: Das sind Bettelunternehmer!